Andacht zum Monatsspruch - Oktober 2016

Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. (2.Kor 3,17)

Eine junge Frau erzählt ihrer Freundin völlig begeistert, dass ihr Freund ihr einen Heiratsantrag gemacht hat. Sie hat sofort Ja gesagt. Die Freundin freut sich mit ihr, ist aber auch sichtlich besorgt. Sie fragt nach, ob die junge Frau denn wirklich schon bereit sei zu einem solchen verbindlichen Ja-Wort. Will sie sich so früh binden? Kann sie sich ein Lebenslänglich schon vorstellen? Wie die junge Frau erzählt auch ihr Freund von der bevorstehenden Hochzeit. Seine Kumpels trauen ihren Ohren nicht. Der Freund will sich freiwillig ins Ehe-Gefängnis begeben? Sie planen sogleich den ausschweifenden Junggesellenabschied. Nochmal richtig einen draufzumachen, bevor der Freund für immer in die Ehe abtaucht.
Die Ehe wirkt auf manche Zeitgenossen wie eine lebenslängliche Haftstrafe. Das war nicht immer so. Früher sprach man davon, dass der Bräutigam seine Liebste freite, frei machte aus den Verpflichtungen ihrer Herkunftsfamilie, einem Leben als einsame Frau am immer gleichen Ort. Mit dem Bräutigam konnte sie in eine neue Freiheit aufbrechen, ein neues Lebenskapitel schreiben, war frei, selbst eine Familie zu gründen, frei, eigene Spuren in die Zukunft zu legen.
„Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ hält Paulus dagegen. Denn nicht nur die Ehe wird als Gefängnis betrachtet. „Kirchlich gebunden“ ist auch so eine Redewendung, die das auszudrücken scheint. Sie setzen Glaube mit lebenslänglicher Haft in Gottes Gesetzesgefängnis gleich, sehen mich an Normen gebunden, bedauern mich, dass ich sonntags nicht ausschlafen und lange gemütlich frühstücken kann. Sehen mich immer bewacht von Gottes Augen, die mich viel argwöhnischer verfolgen als alle Geheimdienste dieser Welt. Sie meinen, dass Glaube unfrei macht und sie als Nicht-Glaubende die wahrhaft Freien sind.
Besonders im Alten Bund, als es die Erlösung durch Jesus noch nicht gab, mag sich das so angefühlt haben. Seit dem Neuen Bund, seit Jesu Tod und Auferstehung, in dem Gottes Liebe deutlich zutage tritt, gelten andere Voraussetzungen. Wir sind befreit davon, uns rechtfertigen zu müssen und können aus dieser Freiheit heraus die Regeln, die Gott uns gegeben hat, als Richtschnur und Schutzmaßnahme für ein befreites Leben annehmen. Denn die Regeln Gottes laufen alle auf die Freiheit hinaus. So wie bei Eltern, die ihre Regeln gegenüber ihren Kindern aufstellen, ist es auch bei Gott die Liebe, die uns vor dem Unheil bewahren will.
Eine Elternregel lautet z.B.: „Was auf den Tisch kommt, das wird gegessen!“;
oder: „Vor dem Mittagessen wird nicht genascht!“ So hat auch der
himmlische Vater seinen Kindern zur Zeit des alten Bundes ausführliche
Speisegebote gegeben: Schweinefleisch, Hasenbraten und vieles andere
waren ausdrücklich verboten im Gesetz des Mose. Da gibt es auch klare
Regeln für die Kleidung. Eltern sagen ihren Kindern zum Beispiel: „Zieh dir
den Pullover über, wenn du heute früh rausgehst, es ist noch kühl!“ Auch der
himmlische Vater hatte für seine Kinder zur Zeit des alten Bundes
bestimmte Kleidervorschriften.
Da gibt es auch genaue Regeln für den Umgang mit anderen Menschen.
Viele Eltern schreiben ihren Kindern vor, wie sie Erwachsene zu begrüßen
haben: „Gib die Hand, sieh den anderen an, sag schön ‚Guten Tag‘!“ Der
himmlische Vater hat seinem alttestamentlichen Volk detailreiche
Sozialgesetze gegeben für den Umgang untereinander. Zum Beispiel sollten
Bauern ihre Felder nicht ganz bis zum Rand abernten, damit etwas für die
Armen stehen blieb; die durften sich dann nach der Ernte auf den Feldern
selbst bedienen. Die Liebe und Vatergüte Gottes war unter all den
Gesetzesvorschriften und den angedrohten Konsequenzen freilich nur
verhüllt wahrzunehmen.
Paulus schrieb, die Herrlichkeit Gottes war mit dem Gesetz gewissermaßen
wie unter einer Decke verborgen. Das wird mit dem neuen Bund, mit dem
Heiligen Geist und mit Pfingsten schlagartig anders: „Nun aber schauen wir
alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn“, schreibt
Paulus. Denn: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“
Eine Braut wurde im Mittelalter durch Heirat aus den Zwängen ihrer
Großfamilie gelöst. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, aber Zwänge
umgeben uns heute mindestens genauso fest wie damals. Wir sind
eingezwängt in unsere Arbeit, ins Geldverdienen, in unsere
gesellschaftlichen Verpflichtungen, in unsere Verpflichtungen als Kinder, als
Eltern, ja sogar als Großeltern. Wer sind wir, wenn diese Zwänge uns nicht
mehr wie ein Korsett aufrecht halten?
Jesus will uns aus diesen Zwängen von außen lösen. Nicht, indem er sie
abschafft. Wir werden weiter arbeiten, Geld verdienen, in unseren
Familienverpflichtungen leben. Aber er macht uns innerlich stark und
lebensfroh. Die Zwänge können uns nicht mehr die Luft zum Atmen
nehmen, weil wir selbst wissen, was wir wollen, weil Gottes Geist in uns
wohnt und die Richtung angibt. Ihn sollen wir einladen. Für ihn offen sein.
Herzlichst auch im Namen unserer Kirchvorsteher und Mitarbeiter Euer