Andacht zum Monatsspruch - Juni 2016

Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden. (Ex 15,2)

„Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder.“ - Meine Großmutter zitierte gern diesen Auszug aus einem Gedicht von Johann Gottfried Seume aus dem Jahr 1804. Täglich saß sie am Fenster meines Radebeuler Elternhauses, blickte aus ihrem Fenster über das Elbtal Richtung Dresden und sang ununterbrochen ihre Lieder. Manchmal war auch Selbstgedichtetes dabei.
Später fragte ich mich, ob das wirklich so stimmt, dass böse Menschen keine Lieder haben. Wer in die Geschichte sieht oder in seinem Umkreis die Augen aufmacht, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Nazis hatten dieses Gedicht Seumes in das Liederheft der Hitlerjugend eingebracht. Nicht nur dort, auch bei den Kommunisten wurden aggressive Lieder gesungen, die zum Kampf aufriefen und letztlich bald im Tod endeten. Das ist bis heute so.
Ganz anders das Schilfmeer-Lied des alten Mose. Auch das hat mit Auseinandersetzungen zu tun. Doch es ist kein kämpferisches Lied, das zu Aggression aufruft.
Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden. 2. Mose 15,2
Damals hatte das Volk Israel gerade unglaublich Schweres und dann doch auch Befreiendes erlebt. Das große Besondere: Nach über 400 Jahren darf das Volk der Hebräer die Sklaverei in Ägypten verlassen. Was für ein Tag! Doch schon nach kurzer Zeit - die Katastrophe: die Ägypter haben es sich anders überlegt. Mit ihrer ganzen Armee jagen sie hinter Mose und seinen Leuten her. Nun ist alles aus! Vor ihnen das Schilfmeer und hinter ihnen die immer näher kommenden Soldaten der Ägypter. Keine Aussicht auf eine Lösung. Die Menschen sind so verzagt, dass sie am liebsten gleich sterben würden. Warum diese Katastrophe? Warum, Gott? Hoffnungslosigkeit, Resignation...
Findest Du Dich da wieder? Na, es sind wahrscheinlich nicht gerade die Ägypter, die Dir das Leben schwer machen. Aber es gibt doch „unter jedem Dach ein Ach“. Wie schnell kommen wir in eine solch niederschmetternde aussichtslose Situation. Und was können wir dann machen?
Mose ruft zu seinem Gott. Er vertraut seinem Gott, dass der Wege hat, wo wir keine mehr sehen. Und dass Gott ein treuer Helfer ist. Und Gott hilft! Tatsächlich. Das Meer gibt einen Weg für die Hebräer frei und sie können vor den Ägyptern fliehen - und sehen, wie die Ägypter im Meer ertrinken.
Das Volk Gottes ist gerettet! Wer hätte das noch vor wenigen Stunden
gedacht? Nun tun sie etwas ganz wichtiges: Mose stimmt dieses
„Schilfmeer-Lied“ an. Er weiß: meine Stärke ist der Herr. Gott hat Kraft
gegeben und gerettet. Gott hat sein Volk und seinen Mose wieder froh
gemacht, das besingen sie. Und Du?
Gott loben und danken ist schon schwierig. Na klar - es ist nicht alles
selbstverständlich: Essen und Trinken, Wohnung und Arbeit, Heizung und
Licht, Ferien und Urlaub. Aber wie ist es, wenn man nicht auf der
Sonnenseite des Lebens steht? Bei einer schweren Krankheit? Angesichts
des Todes? Wenn man von Hartz IV leben muss? Kann und will man dann
Gott danken und loben? Oder darf man Gott etwa dafür danken, dass der
eigene Verein ein wichtiges Spiel wider Erwarten nicht verloren, sondern
gewonnen hat? Soll man Gott dafür loben, dass die eigene Mathearbeit nur
schlecht und nicht ganz schlecht ausgefallen ist? War es richtig, dass in der
Vergangenheit Generäle mit ihren Heeren Gott nach einem Sieg,
also nach der Niederlage der anderen, gedankt und gepriesen haben?
Gott hat sein auserwähltes Volk schon damals in großer Gefahr behütet und
bewahrt. In langen Jahrhunderten war im Volk Israel intensives
Gottvertrauen erwachsen. So hofften und vertrauten sie auch angesichts der
Herausforderungen, Bedrängnisse und Gefahren ihrer Gegenwart auf Gott.
Sie waren sich sicher: Gott ist einer, der ist dabei, der lässt uns nicht im Stich.
Der geht auch schwere Wege mit, der schützt und bewahrt uns.
Auch im Gespräch mit anderen Menschen, besonders im Gespräch mit Eltern
und Großeltern kann man das erfahren: Wenn Du zurückblickst, gibt es da
etwas, wofür Du Gott dankbar bist? ... Auch für vielfältige eigene Bewahrung
und Begleitung kann man Gott dankbar sein: In Krankheit und Not, als das
Leben nicht so rund lief, bei Beziehungsstress, als es in der Schule nicht
geklappt hat und trotzdem Hilfe und Unterstützung spürbar wurden. Dafür
kann, darf und soll man Gott dankbar sein. Es gibt guten Grund, Gott zu
danken und zu loben! Gelobt sei der Gott, der zu mir ja gesagt hat und mich
begleiten will, mein Leben lang.
Ich wünsche Dir und mir immer wieder diese Erfahrung, dass unser
lebendiger Gott unsere Kraft und Stärke sein will. Lege IHM Deine
Katastrophen hin und lass IHN machen. Vertrau IHM. Und dann vergiss nicht
Dein „Schilfmeer-Lied“ zu singen! So wie meine Großmutter, die eine
fröhliche Frau geblieben war, trotz vieler schlimmer Lebenserfahrungen.