Andacht zum Monatsspruch - November 2016

Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen. (Ps 130,6)

Unumwunden gebe ich zu: Warten ist nicht meine Stärke – deshalb fahre ich oft mit dem PKW. Deshalb fahre ich oft sehr knapp los.
Und manchmal habe ich mich verschätzt oder wurde aufgehalten. Dann komme ich zu spät. Ich warte eben nicht gern auf den Bus oder vor Beginn von Veranstaltungen, möchte noch dies und das erledigen. Wo es irgendwie geht, möchte ich Warten vermeiden. Dabei kommt man gar nicht drum herum: beim Arzt, auf dem Amt, auf die Lieferung vom Paketdienst, auf die Handwerker, den Pizzaboten usw.
Advent hat auch etwas mit Warten zu tun. In diesen Wochen denken wir ja nicht nur an den Jesus, der vor ca. 2000 Jahren auf die Erde gekommen ist.
Wir denken auch an den Jesus, der wiederkommen wird. Auch wenn es sich in beiden Fällen um die gleiche Person handelt – die Art und Weise seines Kommens kann unterschiedlicher kaum sein. Damals nur von ein paar Hirten und Sterndeutern bemerkt, werden ihn später alle Menschen sehen. Damals als kleiner, hilfloser Säugling – dann als Richter der Welt, König der Könige, Herr aller Herren.
Aus unserem Wochenspruch spricht eine starke Sehnsucht nach Gott: „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.“ (Psalm 130,6)
Im neuen Testament ist uns ein Gebetsruf der ersten Christen überliefert: „Maranatha! – Unser Herr, komm!“ Ich bin überzeugt, dass es viele Christen auf dieser Welt gibt, die dieses Gebet auch in heutiger Zeit aus vollstem Herzen beten, z.B. in Nordkorea oder Syrien. Vielleicht aber auch in unserer Lauterbacher Kirchgemeinde? Etliche von Euch haben sicher die gleiche
Sehnsucht wie der Psalmbeter nach Gottes Eingreifen.
Warten ist eng verbunden mit Erwarten. Ich erwarte, dass mein Hunger, Wunsch nach Hilfe bei Krankheit oder nach Hause zu kommen, erfüllt wird. Möglichst sofort!
Der Beter des Psalms hat Erwartungen an Gott – deshalb kann er es kaum erwarten, ihm zu begegnen. Sein größter Wunsch an Gott ist es, seine Seele von der Last begangener Schuld zu befreien. Es ist ein kurzes, ungeduldiges Gebet. Für den Beter hängt alles davon ab. Er möchte sich von einer Last befreien – und zwar sofort: „Denn er ist gut zu uns und immer bereit, uns zu retten.“ (Vers 7). Diese Einladung gilt bis heute: Gott ist nur ein Gebet weit entfernt – dann können wir unsere Seele entlasten. Probieren Sie es aus.
Und dann überlege ich: Nach wem oder was sehne ich mich in der
Adventszeit? Dass der Jahresend-Stress auf Arbeit endlich in den
Weihnachtsurlaub mündet? Nach etwas Ruhe und Besinnlichkeit zwischen
vielen Terminen? Welche Rolle spielt die Tatsache, dass eines Tages Jesus
wiederkommen wird, in meinem Leben?
„Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.“
Ich kann es nachfühlen, dass der Wächter genug hat von der Nacht, dass er
sich nach dem Licht des neuen Tages sehnt. In den langen Nächten und
kurzen trüben Tagen zünden wir Kerzen an. Nicht nur, um Advent und
Weihnachten zu feiern. Auch, um die Dunkelheit zu vertreiben. Eine
Dunkelheit, die von außen nach innen geht und die Seele schwer macht.
Jeder kennt verzweifelte Situationen, wie sie unser Psalm beschreibt. Die
Tiefe, aus der heraus er Gott anruft.
Hier spricht die Sehnsucht aus den Zeilen, dass es Tag werden möge, dass
man wieder klarer sieht. Vielleicht auch die Sehnsucht nach Wärme, die das
Sonnenlicht schenkt und die Kälte der Nacht vertreibt. Unsere Seele wartet
darauf, dass sie sich im Licht des Herrn sonnen und wärmen kann. Bis dahin
müssen Kerzen genügen, die immerhin ein wohlig warmes Licht verbreiten.
Im Kerzenlicht sehen wir immerhin die Dinge, die uns umgeben, wenngleich
schattenhaft und undeutlich. Wir warten auf den Herrn.
Ein Wort, das in die Adventszeit passt. Macht nicht gerade das unseren
Glauben aus? Dass wir nicht wissen, in welcher Gestalt Gott uns begegnet.
Vielleicht gerade in diesem flüchtig flackernden Kerzenlicht. Es taucht nicht
alles in sein Licht. Es bleiben dunkle Räume. Dennoch: es schenkt die
Hoffnung, dass wir nicht verloren sind in einer weiten und
undurchdringlichen Dunkelheit. Ein Streichholz. Eine Geste. Und schon ist
sie da, die Gewissheit, dass uns nicht nur Dunkelheit umgibt. Da wird ein
Licht geboren, das uns durch die dunkle Jahreszeit hindurch trägt und uns
sagt: Gott ist da, bis der Morgen endgültig aufbricht.
Advent und Weihnachten erzählen vom Kommen Gottes. In Jesus Christus
ist Gott unser Freund geworden. Wir Menschen sind nicht alleine. Bei Ihm
sind wir sicher. Es liegt an uns, Seinen Namen zu kennen und Ihm zu
vertrauen. Es lohnt sich wirklich!