Andacht zum Monatsspruch - September 2015

Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (Mt 18,3)

Ein neues Schuljahr hat gerade begonnen. Stundenpläne, andere Lehrer, der Einkauf im Schreibwarenladen, neue Herausforderungen. Aber auch: alte Gefühle, Bilder und Fragen im Bauch. Die große Urlaubszeit vorbei, in den Firmen summen die Rechner und an der Uni beginnt das neue Semester. Arbeit, Beschleunigung, Einsatz, Fortkommen…

„Beim Lächeln eines Kindes fällt ein Strahl aus der Ewigkeit in das Diesseits", so hat es einmal F. M. Dostojewski formuliert. Kinder leben naiv und ganzheitlich ihr kleines Leben. Sie differenzieren und abstrahieren noch kaum und nehmen ganz selbstverständlich die kuschelige Mutter und den starken Vater in ihr Ich auf. Erwachsene dagegen passen ihr inneres Kind immer mehr dem Alltag und den Lebenserfahrungen an. Und oft wird das innere Kind ganz weit in einen hinteren Winkel der Persönlichkeit verdrängt. Nur in Glücksmomenten darf dann das Kind herauskommen.

Jesus erinnert uns im Monatsspruch daran, dass aller weltliche Alltag des Oben – Unten, des Weiter, des Tun und Machens einen Kontrapunkt hat, nämlich das Dasein vor Gott als Kind: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen." Bei Gott können wir gar nichts darstellen und gewinnen, da kann man nur beschenktes Kind Gottes sein.

Ferien, Urlaub, im Englischen „Holidays“… das waren ursprünglich mal „holy days = heilige Tage.“ Tage, die dazu einladen, sie besonders zu gestalten, heilige Gelegenheiten sozusagen zu leben. Die Tage könnten immer heilige Gelegen-heiten sein, aber das ist gar nicht so leicht zu leben, oder? Wissenschaftler, die das Urlaubsverhalten untersucht haben, sagen, dass Menschen so Urlaub machen, wie sie im Alltag leben. Wer einen vollen Kalender hat, ob als Rentnerin, Hausmann oder Berufstätige, macht das im Urlaub genauso. Wer viel Zeit hat, hat sie auch im Urlaub. Erkennen Sie sich wieder? Urlaub als Fortsetzung des Alltags? Nicht nur der Urlaub könnte die Chance sein, heilige Gelegenheiten zu schaffen… „Ich habe auf der Bank gesessen“ könnte für die immer Wirbelnden bedeuten: „Ich habe auf meinen Atem geachtet, ich habe die Bäume oder das Meer gesehen. Ich habe wahrgenommen, dass ich lebe. Und für die Menschen, die manchmal nicht wissen, wie sie ihre Zeit füllen können, könnte der Urlaub ein Anfang sein, seine – verdeckten - Fähigkeiten aufzuspüren. Was das sein könnte? Mal das machen, was mir Freude bereitet und mir am Herzen liegt, jedoch im Alltag verlorengeht. Schnitzen, Klöppeln, ein Konzert besuchen, ein Bild malen, eine Wanderung unternehmen?

Manchmal sehne ich mich zu meiner unbeschwerten Kindheit an den

Elbhängen der Lößnitz in Radebeul zurück. Gleich um die Ecke in einem riesigen

verwilderten Grundstück, in dem viel später, dann allerdings parkartig angelegt,

Kurt Biedenkopf zur Miete wohnte, verkrochen wir uns zu gerne im Labyrinth

aus Gestrüpp, Gras und Dornen und waren ganz wir selbst. Großartig, dieser

Dschungel! Das Zirpen, Rascheln und Piepsen von allen Seiten übertönte unsere

sachten Schritte, wenn wir in Erwartung neuer Entdeckungen durch das Gelände

streiften. Die Natur in ihrer Pracht mit all ihren geheimnisvollen kleinen und

größeren Geschöpfen bedeutete für uns pures Abenteuerland. Die Ameisen am

Boden, deren Straßen sich zwischen den Grasbüscheln schlängelten, diese

prachtvoll bemalten Schmetterlinge, die Käfer, Bienen, Hummeln und diese

lustigen Grashüpfer, die unerwartet in die Höhe sprangen, faszinierten mich. Es

war mir sonnenklar, niemand musste es erklären: So etwas herrlich Schönes

kann nur Gott gemacht haben!

Leider verlernen wir bis zum Erwachsensein immer mehr das Staunen über Gott

und über seine Schöpfung, bis man uns glauben macht, durch Urknall und Zufall

wäre dies alles entstanden. Doch es lohnt sich zu versuchen, die Welt wieder mit

Kinderaugen zu betrachten. Es macht zudem viel Freude, das Abenteuerland

Natur neu zu erkunden.

Groß werden - wer möchte das nicht? Wir wollen etwas gelten. Aber Jesus lädt

seine Nachfolger ein, klein zu werden, eben Kinder Gottes zu sein. Er befreit

davon, vor anderen etwas gelten zu müssen. Wer das übt, um Jesu Willen

unbedeutend zu sein, ist auf dem Weg in sein ewiges Reich. Ihm lässt Jesus eine

große Ehre zuteil werden (Matth. 18,5); er stellt ihn unter besonderen Schutz

(V.6.10). Jesus sorgt sich sehr um die Geringen (V.12-14). Verächtliche

Geringschätzung der Schwachen ist geradezu lebensgefährlich (V.7-9). - Gehöre

ich zu den "Kleinen" in der Gemeinde? Begegne ich Unbedeutenden mit

Überheblichkeit oder Hochachtung? Das Reich Gottes, von dem Jesus hier

spricht, hat mit ihm schon begonnen und wird am Ende der Zeit die letzte

Konstante, die feststehende Größe sein. Freilich, wir sind in unserer Welt

gefangen mit ihren Bildern und Erfahrungen. Ohne Umkehr aus dieser dunklen

Welt in das Licht des Kind-Gottes–Seins geht unser Leben nicht vorwärts.

Umkehr ist eine 180°-Wendung. Du hast einmal gehört, dass Gott dich begleiten

und dir begegnen will. - Aber wo ist er nur? Wenn du diese Frage ehrlich meinst

und auch tatsächlich beantwortet haben möchtest, dann halte einmal inne.

Bleib stehen. Und…- dreh dich um. Mache eine Kehrtwende um 180°. Wenn du

genau hinsiehst, stellst du (vielleicht nicht gleich, aber bald) fest, dass Gott ganz

dicht hinter dir steht mit ausgebreiteten Armen.