Andacht zum Monatsspruch - November 2015

Erbarmt euch derer, die zweifeln.

(Judas 22)

„Ein guter Christ zweifelt nicht“ - „Zweifel ist Sünde.“ In unserem Umfeld ist Zweifeln negativ besetzt. Etwas, worüber man besser nicht redet oder was man sich nicht anmerken lässt. Und doch: Jeder kennt Zweifel, auch am Glauben. Jeden betrifft das Thema.

Ich wage mal die These: wer nie zweifelt, hinterfragt nichts und macht deshalb im Glauben auch keine Schritte vorwärts.

Das Leben ist zu komplex; die Bibel ist zu komplex und Gott ist zu komplex, um einfach alles im Glauben hinzunehmen, ohne es zu hinterfragen und jemals daran zu zweifeln.

So kann das Zweifeln Ausdruck von Suchen sein, dass man am „Ringen“ um die Wahrheit ist; dass man sich intensiv mit Gott und dem Leben auseinandersetzt. Die Frage ist also nicht, ob man als Christ zweifeln darf, sondern wie man mit dem Zweifel umgeht. Lasse ich mich von der Unsicherheit und Unentschlossenheit von Gott wegführen, oder jage ich gerade wegen des Zweifels noch mehr auf Gott und seine Wahrheit zu, weil ich Glaubensgewissheit haben möchte?

Warum zweifeln Menschen? Da gibt es unterschiedliche Gründe: Innerhalb einer Stunde, ja innerhalb einer Minute, kann es geschehen, dass das ganze Leben auf den Kopf gestellt wird. Ein Unfall, eine Diagnose, eine Todesnachricht, eine unerwartete Kündigung oder ähnliches. Oder Ungerechtigkeit in der Welt (Hungersnöte, sterbende Kinder, …), Krankheiten, nicht erhörte Gebete, Hinterfragen der Bibel oder des Christseins an sich: Wir Christen sagen, dass Menschen in Christus eine neue Kreatur sind und wir allen Grund zur Freude haben. Wenn wir so neu sind, warum sehen wir dann oft so „alt“ und traurig aus, wenn wir von Gott reden?

Wo zeigt sich Jesus uns … wenn wir uns mit ihm “verabreden” oder wenn wir ihn bitten sich uns zu zeigen? Wie beispielsweise ein Junge mir sagte: “Ich hab Jesus schon so oft gebeten, dass er sich mir zeigt.” Ist Christsein Gehirnwäsche, oder schlicht nur psychologisch zu erklären?

Warum fällt uns Glauben an den lebendigen Gott so schwer, wo wir doch so vieles ganz selbstverständlich glauben ohne es beweisen zu können. Liebe, niemand kann sie beweisen. Man kann sie schlichtweg nicht anfassen oder “auf den Tisch legen”. Oder Hoffnung, niemand kann Hoffnung beweisen. Sinn, wie kann man Sinn beweisen? Und Gott? Man kann ihn ebenso wenig beweisen. Aber erkennen können wir ihn an seinen Auswirkungen bei uns oder den Anderen. Wir können auf Erfahrungen zurückgreifen.

Unser Monatsspruch im November fordert uns heraus: “ERBARMT

euch derer, die zweifeln.“ Und er fährt fort: „Dem aber, (Gott) der euch vor

dem Straucheln behüten kann und euch untadelig stellen kann vor das

Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden, dem alleinigen Gott, unserm

Heiland, sei durch Jesus Christus, unsern Herrn, Ehre und Majestät und

Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.” Judas 22ff

Anstelle von Vorwürfen ist das Erbarmen die richtige Reaktion auf den

Zweifel eines Gläubigen. Vorwürfe macht man sich ja selber meist schon

genug. Wir sind darauf angewiesen, dass andere uns mit Erbarmen und

Nachsicht begegnen und sich mit uns auf den Weg machen, dem Zweifel zu

stellen, ihn zu überwinden und dadurch im Glauben zu wachsen.

Ich wünsche mir, dass wir als Gemeinde immer mehr lernen, auch in diesem

Bereich offen und ehrlich miteinander zu sein. Dass wir nicht aus Angst

davor, was wohl mein Nächster denkt, alleine mit unserem Zweifel

dastehen, sondern wir einander auch an solchen Gedanken und Kämpfen

teilhaben lassen. In wie vielen Situationen hätte es anders ausgehen können,

wenn sich jemand über einen von Zweifel geplagten Bruder erbarmt hätte?

Gerade in solch schwierigen Zeiten zeigt sich doch wirkliche Gemeinschaft

und Bruderschaft erst richtig. Denn wenn ein Teil des Körpers leidet, so

leidet der ganze Körper (1. Korinther 12,26). Deshalb darf mir der Zweifel

eines anderen Christen nicht gleichgültig sein, sondern ich soll ihm

hilfsbereit begegnen; in Erbarmen und nicht mit Vorwürfen. Nur so kann aus

dem Zweifel etwas Positives, etwas „Glauben-Stärkendes“ entstehen. Lasst

uns also den Zweifel weder ignorieren, noch leugnen, sondern gemeinsam

entgegentreten und daran wachsen.

Ein Herz haben, erbarmen, sich erbarmen – dazu sind wir aufgefordert

besonders für die, die glauben wollen, es aber nicht können. Das heißt:

Nimm dir Zeit für diesen einen Menschen, hab Geduld, gerade, wenn es so

aussieht, als wenn man sich im Kreise dreht. Hab Erbarmen! Das heißt wohl

auch: lass das Schulmeistern sein mit Sätzen wie: Ein Christ zweifelt nicht!

Sich erbarmen meint nichts anderes als: Lass den Zweifelnden fühlen, dass

du ihm dein Herz auftust, ihm herzlich begegnest mit viel Geduld -

und dazu gehört auch das Gebet für den seelisch Angeschlagenen. Dieses

Erbarmen kann (muss nicht) aus der Ungewissheit die Gewissheit werden

lassen: Ich bin gewiss, nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes (Röm. 8).