Ich schäme mich des
Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt. (Röm 1,16)
Wer sich nicht schämt, der steht für etwas ein. 'Ich schäme mich meines Lohnes nicht' – so nehmen wir etwa Fußballer oder Topmanager wahr, wenn sie ihre jährlichen Millionen verteidigen. Auch Politiker äußern manchmal auf diese Weise ihre Überzeugungen. Sie schämen sich nicht, zu ihrer Überzeugung zu stehen. Für Paulus war das nicht einfach so leicht daher gesagt. Auch heute ist das nicht so leicht mit dem Bekennen.
Paulus schreibt: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist Kraft Gottes, die rettet alle, die daran glauben..., denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit Gottes“. (Römer 1,16 – 17)
Das schrieb er nach Rom, wo die Botschaft vom gekreuzigten König Jesus für die Mehrheit überhaupt nicht begreifbar war. Für Jesus gab es dort keinen Applaus – außer in der verfolgten Christengemeinde. Beifall klatschten die Römer, als die
Christen im Kolosseum den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden und als sie als Pechfackeln in den Gärten des Nero brannten. Die Anklage lautete: „Odium humani generis“ – Hass auf das Menschengeschlecht. Die machen die Menschen schlecht. Die behaupten, die Menschen seien so verloren, dass sie nur noch durch den stellvertretenden Tod des menschgewordenen Gottes gerettet werden können. Das empfindet der selbstgerechte Mensch als Beleidigung. Kein Applaus, sondern Spott und Ablehnung sind angesagt.
Aber Paulus schämt sich nicht dafür, dass er diesem Jesus die Treue hält. Er steht zu seiner Überzeugung, statt sich dünn zu machen oder den Kopf einzuziehen, weil er Gewalt gegen sich und die Christen befürchten muss. Das Evangelium ist eine Kraft, sagt Paulus. Im Griechischen steht hier das Wort dynamis, unser Wort Dynamit.
Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, stark wie Dynamit - was sprengt es auf? Verschlossene Gräber. Zuerst bei Jesus. Maler wie Mathias Grünewald und andere haben es in Osterbildern eindrucksvoll dargestellt: Die Grabwächter, die Hüter des Todes, sind selbst wie tot. Jesus lebt, ist frei, das Grab ist aufgesprengt von der sanften Allmacht der Liebe Gottes zu ihm. Gott hat ihm sein eigenes göttliches Leben mitgeteilt. Das ganze Neue Testament ist vom Jubel darüber erfüllt: Seit ihm und durch ihn werden nun alle Gräber geöffnet, der Tod hat seine Allmacht verloren. Der Tod ist auch kein vermeintlich letzter Schlupfwinkel mehr für Menschen, die nach dem Motto handeln: Nach mir die Sintflut. Jedes Leben gelangt vor Gott. Mit aller Kraft hat Paulus das verkündigt: Jesus, am Kreuz durch uns und für uns gestorben, ist von Gott zum Herrn über alle und zum Retter für Juden und alle heidnischen Völker eingesetzt worden!
Lebt im Vertrauen auf ihn! Nehmt voller Dankbarkeit den Freispruch an, den er
euch erwirkt hat. Dann braucht ihr euch nicht mehr zu fürchten vor dem Letzten
Gericht. Gott wird euch um seinetwillen barmherzig in die Arme nehmen - wie
der Vater den heimkehrenden verlorenen Sohn.
Das Evangelium ist eine Sprengkraft Gottes. Es öffnet verschlossene Gräber und
es öffnet verschlossene Herzen. So wie zum Beispiel bei Zachäus dem Zöllner
(Lukas 19). Der war geizig, weil er offenbar wenig Liebe empfing. Keiner mochte
ihn, weil er habgierig und geizig war. Jesus sprengt den Teufelskreis. Jesus sieht
ihn. Er sagt zu ihm: Komm, lass uns miteinander Tischgemeinschaft halten. Als
sie fröhlich miteinander tafeln, sagt Jesus zu den Umstehenden, die empört die
Stirn runzeln: Was wollt ihr, er ist genauso ein Kind Gottes wie ihr. Meint ihr,
Gott hat eins seiner Kinder weniger lieb, wenn es knausrig ist? Gerade nicht! Als
Zachäus das Evangelium hört und erlebt, öffnet sich sein Herz weit - er wird
weitherzig und großzügig. Ob die Umstehenden sich mit gefreut haben über
seine Befreiung?
Das Evangelium ist eine Sprengkraft Gottes. Es öffnet verschlossene Mienen.
Menschen können gelöst lächeln, heiter werden, sich freuen. Evangelium heißt
ja: Frohe Botschaft, Freude auslösende Nachricht. Zum Evangelium gehört
auch: Ich gönne dem Andern von Herzen die Güte und Liebe Gottes, ich freue
mich, wenn es ihm gut geht, ich bin traurig, wenn es ihm schlecht geht. Von
Zachäus lernen wir ein Viertes:
Das Evangelium ist eine Sprengkraft Gottes: Es öffnet verschlossene Geldbeutel,
Portemonnaies. Zachäus kann von Herzen abgeben von seinem Überfluss. Ich
hörte irgendwo einmal den Spruch: Erlösung bedeutet bis in den Geldbeutel
erlöst sein. Darum ist es so wichtig, dass die Verkündigung des Evangeliums die
Menschen bei uns so befreit, dass sie Hunger bekommen: Einen Hunger nach
Gerechtigkeit.
Das Evangelium ist eine Sprengkraft Gottes. Es öffnet und überwindet
verschlossene Grenzen, Grenzen aller Art: Die Grenzen zwischen dem Norden
und Süden unseres Globus, die Grenzen zwischen Menschen. Bei uns hier war es
auch das Evangelium - das lässt sich klar belegen - das mit zum Fall der Mauer
geführt hat. Wenn es heute eine Riesenmauer zwischen Israel und den
palästinensischen Gebieten gibt, dann höre ich nicht auf zu hoffen und zu beten,
dass Gott dort genau so unerwartete und für unmöglich gehaltene Wunder tun
kann. Ebenso wie in unserer Kirchgemeinde. Doch zuerst bei Dir und mir.