Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!
(Matthäus 27,54)
Hat ein Mann viel Schlimmes gesehen oder gar erlebt, dann kann man andere
sagen hören: „Den kann nichts mehr erschüttern“ Ein Hauptmann zur Zeit Jesu
hatte sicher schon viel Leid und Elend gesehen und viel Schreckliches erlebt,
vielleicht sogar selbst verursacht. Die Kreuzigung gehörte damals als Todesstrafe
in vielen Fällen dazu. Von dem bekannten Feldhauptmann Varus, der im Jahr 9 im Teutoburger Wald den Germanen unterlag, wird berichtet, dass er einmal 2000 Menschen mit der Kreuzigung bestrafte. Die Kreuzigung war also ein ganz übliches Verfahren, um Menschen hinzurichten. Die Kreuzigung ist eine der schlimmsten Todesstrafen, die sich die Menschen ausgedacht haben. Furchtbares Leiden geht einher mit langen Qualen. Hängt jemand am Kreuz, dann ist sein Körper geschunden von
Schlägen, die ihm vorher zugefügt wurden durch Peitschen oder Geiseln, die mit
Eisenteilen, Dornen oder Glasscherben bestückt waren. Dann sitzen in seinen
Wunden viele Fliegen. Und die kann der Gekreuzigte ebenso wenig vertreiben
wie er sich vor Schmerzen krümmen kann, weil seine Hände und Füße am Holz
befestigt sind. Langsam und qualvoll stirbt man am Kreuz. Hinzu kommen die
Aussprüche der Schaulustigen, die dem Gekreuzigten in der Seele schmerzen.
All das hat ein römischer Hauptmann immer wieder erlebt. Auch jener Hauptmann
der bei der Kreuzigung Jesu dabei war. Er war ganz gewiss kein Neuling.
Es bestand schließlich die Gefahr, dass an diesem Karfreitag ein neuer Tumult
entstehen könnte zwischen den römischen Besatzern und den Juden. Nur die
erfahrensten Hauptmänner durften Dienst tun. Ausgerechnet von diesem
Hauptmann lesen wir die Worte unseres Monatsspruches: Als aber der
Hauptmann und die mit ihm waren das Erdbeben sahen, erschraken sie sehr
und sprachen: „Wahrlich dieser ist Gottes Sohn gewesen“
Ausgerechnet ein römischer Staatsdiener wird zum Evangelisten unter dem
Kreuz von Jesus.
Was unterschied die Kreuzigung am Karfreitag von anderen Kreuzigungen, die
er schon mehrfach erlebt hatte? - Es sind die Begleitumstände bei dieser
Kreuzigung Jesus: Die Sonne verfinsterte sich. Das war keine gewöhnliche
Sonnenfinsternis, die nur einen kurzen Augenblick dauerte. Nein sie dauerte drei
Stunden. Das geschah genau zu der Zeit, als der Sohn Gottes für Deine und
meine Schuld starb und damit bezahlte. Der Hauptmann erkannte das. Der
Hauptmann hörte auch das Gebet des Gekreuzigten, den Psalm 22: Mein Gott,
mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
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Jesus selbst gibt damit die Auslegung für die Finsternis. Jesus starb in den
tiefsten Tiefen des Todes und musste drei Stunden lang die Ferne Gottes und
seinen Zorn durchleben. Für Dich und für mich! Und dann starb Jesus, nachdem
er noch einmal laut aufgeschrien hatte. Ach das ist ungewöhnlich: Gekreuzigte
sterben normalerweise ganz ganz langsam.
Wir merken: Jesus starb nicht infolge der Gewalt, die man ihm angetan hatte,
oder weil er am Kreuz gequält wurde. Jesus starb nicht, weil die Römer ihn da
dran genagelt hatten, oder weil Pilatus den Befehl dazu gegeben hatte. Nein, an
diesem Aufschrei Jesu wird deutlich: Er gibt selbst sein Leben auf! Er selbst
befiehlt seinem himmlischen Vater seine Seele und seinen Geist. Jesus stirbt
nicht, weil man ihm das Leben nimmt, sondern weil er selbst es gibt. Er gibt
Gott, dem Vater, ein Opfer, sich selbst als Opfer: Für Dich und für mich. Zur
Bezahlung unserer Sündenschuld. Unter dem Kreuz, angesichts eines Erdbebens
und anderer Phänomene, die auf Jesu Sterben folgen, sind es die Fremden, der
römische Hauptmann und die heidnischen Soldaten, die als erste eine Ahnung
davon bekommen, was gerade auf Golgatha geschehen ist. Sie sind ihrer Zeit
damit voraus. Dass der Gekreuzigte Gottes Sohn nicht nur war, sondern dass er
als der Auferstandene immer noch Gottes Sohn ist, können sie am Karfreitag
noch nicht wissen. Vielleicht zeigt sich hier gar eine besondere Bereitschaft zu
glauben, was eigentlich erst am Ostermorgen geglaubt werden kann. Hier erst
wurde die Finsternis wirklich wieder hell, überstrahlt vom Licht des
Ostermorgens, das sich bis in den Himmel erstreckt. Erst in und von diesem
Licht wird das Kreuz so beleuchtet, dass es zum Zeichen der Erlösung wird.
„Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen / noch tritt auf den Weg der
Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen,...“ (Ps 1,1). Der Spott über Jesus und
seinen himmlischen Vater ist schon alt. Das Kreuz selbst scheint Gott zu
verspotten: „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns
aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft“ schreibt Paulus an die Korinther.
Ein Gottessohn am Kreuz ist in den Augen der Welt selbst eine Karikatur. Nur
dass es am Kreuz nicht um Gottes Anspruch geht, sondern um menschliche
Vorstellungen von Gott. Am Kreuz zeigt sich, dass es diese Vorstellungen von
Gott und Gottes Wirklichkeit sind, die auseinander klaffen.
Ganz anders der Hauptmann: Nicht an seiner Rede erkennt er ihn, nicht an
seinen Wundern und nicht erst bei seiner Auferstehung. Sondern hier mitten im
Abgrund des Todes. Den andern hat's die Sprache verschlagen. Genau hier
zwischen Karfreitag und Ostern spricht er ein Wort von Weltbedeutung. Sein
Glaube ist zu unserer Gewissheit geworden und hält damit Ostern und
Karfreitag zusammen. Jesus lebt und ist erfahrbar. Bis heute. Von Dir und von
mir gleichermaßen: Sprich mit ihm darüber im Gebet!