Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht!
Helft den Unterdrückten!
Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die
Witwen! (Jes 1,17)
Eine Frau wurde von ihrem Mann enttäuscht. Er hatte sie gekränkt und verletzt. Zwar macht er ihr nun große Geschenke und beteuert seine Liebe, aber sein Verhalten ihr gegenüber hat sich nicht geändert. Ich vermute, dass die Frau an den Geschenken wenig Freude hat. Im Gegenteil: Sie wird sich noch mehr gede-mütigt und verletzt fühlen. So ähnlich muss damals Gott empfunden haben, von dessen Reaktion auf das Verhalten Israels im Monatsspruch die Rede ist.
Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen! (Jes 1,17 )
Gott lässt dem Volk durch den Propheten mitteilen: Ich kann euren Weihrauch "nicht mehr riechen"; eure Sabbate "verabscheue" ich; eure frommen "Festversammlungen" sind mir lästig und unerträglich (V. 13). Dabei ging das alles doch auf klare Verordnungen zurück, die er selbst gegeben hatte. Warum also diese harsche Kritik? Ganz einfach: Das fromme Gehabe im Gottesdienst deckte sich nicht mit dem unfrommen Alltag. Man tat zwar so, als suche man Gott und frage nach seinem Willen, doch in Wirklichkeit ging es den Menschen wohl immer zuerst um sich selbst und den eigenen Vorteil. Dass dabei andere Personen und das Recht auf der Strecke blieben, schien kaum jemandem Kopfzerbrechen zu bereiten.
Vier Ausrufezeichen in einem Vers! So viele Ansprüche. Dabei können wir uns kaum selbst helfen. In der ganzen Welt wäre unsere Hilfe nötig. Das kann doch nicht alles auf unsere Schultern geladen werden. Gerade genug, was wir jetzt schon alles tun. So fahren wir die Stacheln aus und wehren ab. Zugleich wissen wir, dass Gottes Bitten uns sehr wohl etwas angehen. Damals wie heute. Jesaja wendet sich in unserem Monatsspruch an alle, die sich selbst genug sind. Die sich vor der Welt verschließen, um in scheinbarer Ruhe ihren Glauben zu leben, sich Oasen bauen, sich nur umeinander kümmern. Und er wendet sich an die, die meinen, keinen Gottesdienst zu brauchen und mit ein bisschen Rechtschaffenheit und Gutmenschentum auskämen. Sind wir auch so?
Wie schön, wenn Du jetzt innerlich protestierst und Dir sehr viel einfällt, was als Gegenbeispiel anzuführen wäre. Und wenn nicht?
Unsere Gottesdienste sind die Grundlage für unser Handeln. Das eine geht nicht ohne das Andere. Gott hat extra den Sonntag dafür reserviert, damit wir Zeit für den Gottesdienst haben. Aus keinem anderen Grund gibt es den Sonntag. Doch unsere Gottesdienste sollten echt sein, von Herzen kommen und ehrlich und aufrichtig zur Ehre Gottes gefeiert werden.
Damals wie heute!
Als Jesus in der Synagoge von Nazareth den Propheten Jesaja zitierte und seine
Aufgabe an den Armen, Gefangenen und Zerschlagenen beschrieb (Lk 4,18ff.),
stellte er sich damit in die gleiche Tradition und verneinte die Trennung
zwischen sozialer Arbeit und der Evangeliumsverkündigung.
Diese oben zitierten Worte Jesajas sollen alle ermutigen, die eigentlich schon
wissen, was gut und richtig ist, aber meinen, noch auf den richtigen Zeitpunkt
warten zu müssen, um ihre Erkenntnis mit Gottes Hilfe in die Tat umzusetzen
oder die meinen, am Sonntag nicht in die Kirche gehen zu müssen, weil sie
angeblich jetzt schon so gute Menschen seien und den Gottesdienst nicht oder
nicht so oft bräuchten.
„Lernt...“ beginnt der Vers. Das gilt nicht nur für die Verantwortlichen in Kirche,
Wirtschaft und Politik. Das gilt für Dich und mich. Eine Aufforderung zum
Lernen, sehr klar und eindeutig formuliert, begleitet uns durch den kommenden
Monat, bevor wir in die Adventszeit eintauchen. Diese Lernaufforderung hat
ihren besonderen Ort, damals in der Verkündigung Jesajas wie in der
notwendigen Übertragung auf unsere Situation heute, im November 2014, 25
Jahre nach dem Mauerfall, in der sie so beunruhigend aktuell wirkt.
Unglaublich drastisch klagt das unserem Monatsspruch vorausgehende
Gerichtswort an. Himmel und Erde werden als Zeugen gegen Israels Verhalten
angerufen. Eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs hat Gottes Volk, das er wie
einen Sohn erzogen hat, nicht dankbar werden lassen. In seiner Auflehnung oder
Gleichgültigkeit gegen den „Vater“ ist es zu einer Brut von Verbrechern
geworden, schlimmer als Vieh (V. 2-4). Tiefe Verzweiflung über den desolaten
Zustand Judas und Jerusalems drücken die Bilder in Vers 5ff aus, die die Folgen
dieses Verhaltens beschreiben; Bilder, wie wir sie aus Nachrichtensendungen
kennen: zerschundene, misshandelte menschliche Körper; verwüstete,
verbrannte Dörfer und Städte.
Kein Gottesdienst, keine fromme Übung, nicht einmal intensives Gebet (V. 15),
sondern allein die Umkehr zu Gott, zu Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und
Erbarmen mit den Unterdrückten können vor Gottes Gericht bewahren: Lernt,
Gutes zu tun. Wendet Euch bewusst Gott zu und hört auf seine Worte im
Gottesdienst, Bibellesen und Gebet. Kehrt um – in eurem Alltag, in Eurem
Denken und im konkreten Verhalten. Dann ist nicht nur Vergebung der Sünden
möglich, seien sie auch rot wie Scharlach oder Purpur; auch neues Wohlergehen
wird versprochen (V. 18f). Kehrt um und Gott schenkt euch Zukunft!