Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.
(Johannes 16,20)
Wenn jemand weint, wird mancher unsicher. Was soll ich sagen oder tun? „Das
wird schon wieder“, ist dann oft der hilflose Versuch zu trösten. Oder: „Kopf
hoch!“ Und: „Sei ein Mann.“ Haben wir es verlernt mit Leid umzugehen? Ist uns
die Fähigkeit abhanden gekommen, Gefühle oder vermeintliche Schwäche zu
zeigen?
Auch das Volk Israel hat das "Tal der Tränen" durchschritten. Vor gut
zweieinhalb Tausend Jahren erlebte es die nationale Katastrophe. Das Land
überrollt von der damaligen Supermacht Babylon; der Tempel in Jerusalem, das
zentrale Heiligtum Israels, zerstört und die meisten Leute verschleppt in ein
fremdes Land. Wie sollte es weitergehen? Und vor allem, was war mit der alten
Zusage Gottes, er würde sein Volk beschützen? Hatte Gott Israel verlassen? Und
würden die Israeliten je wieder aus dem Tal der Tränen rauskommen?
Der Prophet Jeremia hatte eine Zusage von Gott: „Ihr sollt wieder in euer Land
zurückkommen und auch der Tempel wird wieder aufgebaut.“ Und so sangen
die Israeliten wohl schon damals: "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden
ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit
Freuden und bringen ihre Garben." (Ps.126, 5-6). Mit unserem Monatsvers
ausgedrückt: „Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden".
Wir weinen in zum Teil ganz gegensätzlichen Gemütslagen: Traurigkeit,
Schmerz, aber auch Freude, Dank und Glück können uns zum Weinen bringen.
Die Bibel kennt nur das traurige, verzweifelte, schmerzvolle oder auch klagende
Weinen. Nirgends erwähnt sie Tränen im Zusammenhang mit glücklichen,
freudigen Ereignissen. Geweint wird in der Bibel «an den Wassern zu Babel» (Ps.137, 1), also fernab der Heimat in der Fremde, voller Verzweiflung angesichts der Unsicherheit, wie es in Zukunft wohl weitergehen wird. Petrus «ging hinaus und weinte bitterlich» (Matth. 26, 75), als ihm mit einem Mal auffiel, wie feige er sich durch seine dreimalige Verleugnung Jesus gegenüber verhalten hatte. Unsagbar schwer lastete nun die Schuld auf ihm. Tränen der Verzweiflung, vielleicht auch der Wut über sich selbst brechen nur so aus ihm heraus.
Maria von Magdala «stand draußen vor dem Grab und weinte» (Joh. 20, 11). Erst zwei Tage war es her, dass sie ihren geliebten Jesus gekreuzigt hatten. Als sie am dritten Tag frühmorgens nun zu seinem Grab kommt, um ihm noch einmal ganz nahe zu sein, ist das Grab leer. Wer sollte das verstehen? Es wird ein Weinen voller Sorgen und Fragen gewesen sein. Marias Tränen erzählen von
unendlicher Traurigkeit über diesen schmerzlichen Verlust.
Oftmals beschreibt die Bibel einen Weg, eine Entwicklung, vom Weinen hin zum
Lachen, von Tränen der Traurigkeit hin zur Freude.
Und Jesus selbst verheißt seinen Jüngern zum Abschied und zugleich auch uns
heute, 2014 hier im Erzgebirge, eine wunderbare Perspektive:«Ihr werdet
weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.
Auch die Bergpredigt beschreitet diesen Weg: «Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.» (Lukas 6, 22)
Schließlich gibt uns die Bibel noch einen Ratschlag für den Umgang mit
weinenden – und umgekehrt gleichzeitig auch mit fröhlichen – Menschen:
«Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.» (Römer 12, 15)
Das klingt simpel – und trägt doch so viel Wahrheit in sich. Es geht um
Empathie, Mitgefühl, um das Sicheinfühlen. Das Weinen muss zugelassen
werden. Wie schnell sind wir doch geneigt, bei der ersten Träne gleich ein
Taschentuch zu zücken, um damit entweder unserem eigenen Tränenfluss
Einhalt zu gebieten oder es unserem weinenden Gegenüber entgegenzuhalten.
Sicher, wir wollen trösten. Aber um eine Träne abzuwischen, muss sie zunächst
geweint werden. Das ist der erste Schritt. Als Tröstende sollten wir diesen
Schritt begleiten und dem Weinenden das Gefühl vermitteln, seine Tränen nicht
zurückhalten zu müssen. Ein Bild, das uns der Psalmbeter vor Augen malt, mag
uns dabei helfen: «Sammle meine Tränen in deinen Krug.» (Ps. 56, 9)
Erst in einem zweiten Schritt gilt es, Tränen zu trocknen, nach Lösungen zu
suchen, Perspektiven zu benennen, Hoffnungszeichen zu entdecken. Oder aber
vielleicht auch nur miteinander zu schweigen.
Das alles ist kein billiger Trost, nach dem Motto: "Es wird schon werden!" Gott
verspricht, er lässt Dich nicht schmoren im "Tal der Tränen". Mag sein, dass es
Dir gerade dreckig geht, dass Du im Augenblick kein Licht am Horizont siehst.
Und doch: Gott ist auch in dunkelster Nacht ganz in Deiner Nähe.
Und irgendwann wirst auch Du wieder Licht am Horizont sehen. Das Happy End
allerdings, der Augenblick, an dem Du und ich ganz und gar aus dem "Tal der
Tränen" herauskommen, dieses Happy End, das gibt's erst im Himmel. Dann
wird Gott selbst alle Tränen aus Deinem Gesicht abwischen. Das hat er
versprochen. Und dann wird da nur noch Freude sein.