Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Gal 3,28)
Kleider machen Leute. Heute sind es nicht so sehr die Kleider, sondern eher der
Beruf und die gesellschaftliche Stellung. „Sag mir was du arbeitest und ich sage
dir, wer du bist“.
Arm oder reich, intelligent oder Schulversager, Winner oder Loser,
Erfolgsmensch oder Randsteher, Spitzensportler oder Stubenhocker - das sind
Gegensatzpaare, mit denen wir gerne Menschen in unserer Umgebung
einteilen. Anhand des Kontostandes, des Intelligenzquotienten, der
gesellschaftlichen Stellung oder der sportlichen Leistungsfähigkeit können wir
tatsächlich manches über einen Menschen aussagen. Es sind aussagekräftige
Kriterien. Solche Einteilungen gab es auch schon zur Zeit von Paulus. „Jude oder
Grieche“ und „Sklave oder Freier“ waren zwei zusätzliche Kriterien. Im Brief an
die Galater schreibt er damals und an uns heute in unserem Monatsvers:
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht
Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Galater 3,28)
Da werden Sklaven und Freie gegenüber gestellt - Juden und Griechen - sogar
Mann und Frau. Die Griechen stehen hier stellvertretend für alle Nichtjuden, für alle Ungläubigen. Sklaven und Freie, Griechen und Juden erkannte man u.a.
auch an ihrer Kleidung, an der Pracht oder dem ärmlichen Gewand. Die
Unterschiede machten es. Der Vergleich gab jedem Einzelnen mehr oder
weniger Bedeutung in der Gesellschaft, in der Gemeinde auch der Galater, an
die Paulus das schreibt.
Paulus greift die Unterschiede in Herkunft und Frömmigkeitsstil, im sozialen
Status und im Geschlecht auf. Diese Gegensatzpaare haben in den ersten
Christengemeinden zu teilweise massiven Spannungen geführt. Die
Paulusbriefe zeugen davon. Die Juden verlangten von den Nichtjuden, dass sie
das mosaische Gesetz respektieren. Selbst wenn ein nichtjüdischer Mann zum
Judentum übertrat, konnte er diese Spaltung nicht wirklich überwinden.
Nach jüdischer Lehre kamen ihm der Verdienst und der Segen der Stammväter
nicht zugute. Er blieb ausschließlich auf die von ihm selber geleisteten Guttaten
angewiesen. Ganz anders die Erlösung durch Jesus Christus. Sie gilt allen
Menschen – unabhängig davon, auf welcher Seite des Grabens sie geboren
worden sind. In diesem Sinn sind Juden und Griechen eins in Jesus Christus.
Oder am Beispiel „Männer und Frauen“ erklärt: Wörtlich heißt es: „Nicht gibt es mehr männlich und weiblich.“. Diese Wendung erinnert an den biblischen
Bericht über die Erschaffung von Mann und Frau. Es meint etwas Positives, weil
Gottgewolltes. Wie schnell zeigen sich die Brüche im menschlichen Leben
gerade im falschen Gegensatz zwischen Mann und Frau! Wie schnell schleicht
sich da Ungutes ein: Machtausübung, Untreue und dergleichen. Das Zeichen des
Alten Bundes war die Beschneidung. Frauen waren von diesem Zeichen von
vornherein ausgeschlossen. Statt der Zusammengehörigkeit und Ergänzung
beherrschte eine Spaltung das Verhältnis der Geschlechter. Auch diese
Einseitigkeit wurde in Jesus Christus überwunden. Während im alten Bund nur
Männer, bzw. Knaben beschnitten werden konnten, bringt der neue Bund ganz
andere Möglichkeiten: Getauft werden können Männer u n d Frauen. „Ihr seid
a l l e getauft!“ sagt Paulus im Vers, der unmittelbar vor unserem Text steht.
Wenn Paulus hier sagt, dass alle gleich sind, hat das nichts mit Gleichmacherei
zu tun und auch nicht mit dem derzeitigen gottlosen Gender-Wahn, dessen
zerstörerische Gefährlichkeit den Meisten noch gar nicht bewusst ist. So einfach lässt sich das nicht auf unseren Alltag übertragen. Die gottgewollten
Unterschiede bleiben: Zwischen Mann und Frau, zwischen Chef und
Angestelltem, zwischen Gläubigem und Ungläubigem. Aber auch zwischen
„Uhiesschem“ und Alteingesessenem, zwischen Fremden und Deutschem.
Das Schlüsselwort in diesem Vers finden wir in den Worten »in Christus Jesus«.
Hier wird unsere Stellung beschrieben, das heißt das, was wir in der Sicht Gottes
sind. Hier geht es nicht um unser alltägliches Leben, um das, was wir selbst sind
oder was wir in der Gesellschaft darstellen, in der wir leben.
Was die Stellung vor Gott anbetrifft, sind die rassischen, sozialen und sexuellen
Unterschiede abgeschafft; aber im täglichen Leben sind sie nicht aufgehoben.
Diese Unterscheidungen haben nichts mit Minderwertigkeit zu tun. Der Heide,
der Sklave, die Frau sind nicht weniger wert als der Jude, der Freie oder der
Mann. In vieler Hinsicht können sie ihnen sogar überlegen sein. Anstatt zu
versuchen, die Ordnung Gottes in seiner Schöpfung umzuschreiben, sollte man
diese Ordnung vielmehr annehmen und sich daran freuen. Egal, wo ich stehe,
was ich leiste oder was ich mache: Ich habe bei Gott die gleiche Chance wie der, dem es scheinbar viel besser geht, der erfolgreicher ist oder schon lange im Glauben steht. Dieses Wissen hilft mit zum Leben.