Andacht zum Monatsspruch - Dezember 2014

Die Wüste und Einöde wird frohlocken,

und die Steppe wird jubeln und wird blühen

wie die Lilien. (Jes 35,1)

Auf meiner ersten Israelreise sind wir durch die Wüste Juda gefahren. Von Jericho hinauf Richtung Jerusalem. Höhenunterschied ca. 1200 m, eine Steinwüste. Mittendrin hielten wir an und ich entfernte mich von der Gruppe. Ein merkwürdiges Gefühl: gespenstische Stille, kein Lebewesen, keine Pflanzen, kein Wasser. Nichts. Eine trostlose Gegend. Dies also hatte Jesus vor Augen, als er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählte. Der unter die Räuber Gefallene war in seiner Existenz bedroht. Trostlos, hilflos, bedrängt von Angst in lebensfeindlicher Umgebung.

Ja, es gibt Lebenssituationen, die wie eine Wüste sind – nichts geht mehr. Alles ist dürr geworden, ausweglos und hoffnungslos. Da wäre zwar Boden, aus dem noch manches herauswachsen könnte. Aber es kommt nichts! Es fehlt am Lebenselixier. Wir suchen das Paradies. Aber die Hoffnung darauf ist uns vertrocknet.

Dabei ist es fast paradox: Bei aller Sehnsucht nach dem Paradies - die Wüste selber wäre ein Ort zum Leben, denn sie enthält alles, was man zum Leben braucht.

Das wissen seit jeher die Nomaden und Völker der Wüste. Modernste geologische Erkenntnisse sprechen von unermesslichen Reichtümern in der Tiefe unter der Wüste. Nicht nur Erdöl, sondern auch riesige unterirdische Süßwasserseen wurden unter der ausgetrockneten Oberfläche der Libyschen Wüste ausgemacht. Und wenn es einmal regnet, dann sprießen sie innerhalb von Minuten um die Wette, all die Pflanzen, denen man äußerlich betrachtet jeden Lebensfunken schon abgesprochen hätte. – Wer aber nur auf die sichtbare Oberfläche blickt, erkennt von alledem nichts und sieht nur die lebensfeindlichen Umstände.

So auch damals das Volk Israel, als es sich in einer solchen Wüstensituation befand. Hier spricht ihnen der Prophet Jesaja diesen kraftvoll Mut machenden Satz unseres Monatsspruches zu, der zugleich für uns gilt:

Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien. (Jesaja 35,1)

Jesaja sieht schon alles voraus: Das ganze Volk Israel wird vertrieben. Die Juden werden deportiert und im Ausland zwangsweise angesiedelt. Doch Jesaja sieht noch weiter. Er sieht bereits die Zeit danach. Zwei Generationen später werden die Juden wieder in das Land der Väter zurückkehren. Sie sind ihre Unterdrücker los, sie sind frei und können wieder Zukunft gestalten.

Doch das kleine Häuflein, das wieder nach Israel zurückkehrt, ist mutlos. Das

ausgetrocknete Land, die Zerstörung, die vielen Trümmer, in denen die

Schakale wohnen, das alles raubt ihnen die Hoffnung. Es scheint ihnen

unmöglich, das Land wieder aufzubauen.

Eine Situation, die das Volk der Juden immer wieder erlebt hat. Nicht nur

damals, sondern auch vor 66 Jahren, als es kaum noch Hoffnung gab, in

Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen. Auch heute ist es kaum anders, wo

Israel mitten unter Feinden sitzt, denen nichts lieber wäre, als dass Israel von der

Landkarte verschwindet. Jesaja schildert die Resignation des Volkes mit den

Worten: „Sie haben müde Hände, wankende Knie und verzagte Herzen.“

Jesaja hilft, die Blickrichtung zu ändern. Weg von der gegenwärtig trostlosen

Situation auf den Plan und die Zukunft von Gottes Wirklichkeit.

Zurück zum Anfang unseres Nachdenkens: In der Wüste schlummert Leben.

Wüste ist ein uneingelöstes Versprechen. So gesehen ist Advent auch eine

Wüstenzeit mit der Hoffnung auf das himmlische Wasser und das Blühen der

Kreatur. Der Regen „vom Himmel“ ist Gott selber. Dass er kommt, hat Jesaja

verheißen: Der Messias, Jesus Christus. So rufen die Strophen des Liedes „O

Heiland, reiß die Himmel auf“. Leben in der Wüste ist ein Leben im Advent: Ein

Leben in der Hoffnung: Gott kommt auf uns zu. Dies ist nicht nur

Zukunftsmusik, denn es ist geschehen. Unsere Hoffnung hat nämlich ein Pfand:

Jesus Christus ist dieses Pfand. In ihm keimt in der Wüste Leben auf. Jesus

Christus ist dieses lebendige Wasser und die strömende Quelle. Wo Jesus

auftritt, tut sich in der Wüste eine Oase auf und die Prophezeiungen werden

wahr, dass den Blinden die Augen aufgetan werden und die Zunge des

Stummen frohlockt. Die Nähe Gottes wird durch Jesus auch heute erlebbare

persönliche Wirklichkeit.

Diese Bilder vom Paradies und Frieden sind noch nicht völlig unsere Wirklichkeit

und Gegenwart, sie sind uns voraus. Aber in unseren Herzen, im unscheinbaren

Alltag, da lässt Jesus Christus im Glauben jetzt schon die Wüste blühen. Und das

ist Advent: Leben in Erwartung darauf und Erfahrung, dass auch heute und

jeden Tag der Herr einzieht in dein und mein Leben, wie er es eben mit der

Wüste tun wird.

Deshalb: Frohlockt! Ich gebe zu, ich mag dieses Wort. Und mag es ebenfalls als

Wortspiel, wenn es abgetrennt wird: Froh lockt! Nichts lockt so sehr, nichts ist so

anziehend wie echte Freude.